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Weltraumatome kündigen neue Tests von Einsteins Äquivalenzprinzip an – Physics World

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Foto der Internationalen Raumstation im Orbit um die Erde, darüber ein fallender Apfel und eine Orange
Freier Fall: Einsteins Äquivalenzprinzip besagt, dass die Bewegung frei fallender Körper (ob Äpfel, Orangen oder irgendetwas anderes) unabhängig von ihrer Zusammensetzung ist. Das Cold Atom Laboratory an Bord der Internationalen Raumstation will dieses Prinzip anhand ultrakalter Atome unterschiedlicher Masse testen. (Mit freundlicher Genehmigung von Ali Lezeik, Adaption des Originalbildes von Roskosmos/NASA)

Die Bewegung frei fallender Körper ist unabhängig von ihrer Zusammensetzung. Dies ist eine der Grundlagen von Einsteins Äquivalenzprinzip (EEP), das unserem modernen Verständnis der Schwerkraft zugrunde liegt. Dieses Prinzip steht jedoch unter ständiger Prüfung. Jeder Verstoß dagegen würde uns Hinweise auf unsere Suche nach dunkler Energie und dunkler Materie geben und gleichzeitig unser Verständnis von Schwarzen Löchern und anderen Systemen beeinflussen, in denen Schwerkraft und Quantenmechanik aufeinandertreffen.

Wissenschaftler aus den USA, Frankreich und Deutschland haben nun ein neues System zum Testen des EEP entwickelt: einer Mischung aus zwei ultrakalten Quantengasen, die an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) die Erde umkreist. Sie demonstrierten auch das erste Dual-Spezies-Atominterferometer im Weltraum, das sie als „wichtigen Schritt“ zur Erprobung des EEP bezeichnen. Die Frage, die sie mit diesem Experiment beantworten wollen, ist einfach: Fallen zwei Atome unterschiedlicher Masse mit der gleichen Geschwindigkeit?

Kalte Atome auf der ISS

Die ISS ist die Heimat der Kaltatomlabor (CAL), ein „Spielplatz“ für Atome im Weltraum. Das 2018 gestartete Projekt erzeugte 2020 das erste weltraumgestützte Bose-Einstein-Kondensat (BEC) – einen besonderen Materiezustand, der durch Abkühlen von Atomen auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt erreicht wird. Dieses erste Quantengas bestand aus ultrakalten Rubidiumatomen, aber nach einer Modernisierung im Jahr 2021 beherbergt das CAL auch eine Mikrowellenquelle zur Herstellung von Quantengasen aus Kaliumatomen.

In der neuesten Arbeit, die in beschrieben wird Natur, haben die CAL-Wissenschaftler auf der ISS eine Quantenmischung beider Spezies erzeugt. „Die Erzeugung dieser Quantenmischung im Weltraum ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung hochpräziser Messungen zum Testen von Einsteins Äquivalenzprinzip“, sagt er Gabriel Müller, ein Doktorand an der Leibniz-Universität Hannover, der an dem Experiment beteiligt ist.

Um diese Mischung zu erreichen, sperrte das Team Rubidiumatome in einer Magnetfalle ein und ließ die energiereichsten „heißen“ Atome aus der Falle verdampfen, während die „kalten“ Atome zurückblieben. Dies führt schließlich zu einem Phasenübergang in ein Quantengas, sobald die Atome eine bestimmte kritische Temperatur unterschreiten.

Während dieser Prozess auch für Kaliumatome funktioniert, ist die gleichzeitige Verdampfung beider Spezies in derselben Falle nicht einfach. Da die innere Energiestruktur von Rubidium- und Kaliumatomen unterschiedlich ist, variieren ihre Anfangstemperaturen in der Falle und damit auch die optimalen Bedingungen der Falle und die Verdampfungszeit, die zum Erreichen der kritischen Temperatur erforderlich ist. Daher mussten die Wissenschaftler auf eine andere Lösung zurückgreifen. „Das Kalium-Quantengas wird nicht durch Verdunstungskühlung erzeugt, sondern durch direkten thermischen Kontakt mit dem verdampften ultrakalten Rubidiumgas ‚sympathisch‘ gekühlt“, erklärt Müller.

Die Erzeugung dieses Quantengases im Weltraum habe seine Vorzüge, fügt er hinzu. „Auf der Erde gibt es einen Gravitationsdurchhang, was bedeutet, dass sich zwei Atome unterschiedlicher Masse nicht an der gleichen Position in der Falle befinden. Im Weltraum hingegen ist die Gravitationswechselwirkung schwach und die beiden Arten überlappen sich.“ Dieser Aspekt der Arbeit in der Mikrogravitation ist für die Durchführung von Experimenten zur Beobachtung der Wechselwirkungen zwischen den beiden Arten von entscheidender Bedeutung, die sonst von den Auswirkungen der Schwerkraft auf der Erde erfasst würden.

Die entscheidende Rolle der Quantenzustandstechnik

Die Herstellung einer Quantenmischung aus Rubidium- und Kaliumatomen bringt das CAL-Team dem Test des EEP einen Schritt näher, andere Elemente des Experiments müssen jedoch noch gezähmt werden. Obwohl sich die beiden Arten beispielsweise in der Falle überlappen, sind ihre Ausgangspositionen beim Freilassen aus der Falle leicht unterschiedlich. Müller erklärt, dass dies teilweise auf die Eigenschaften der einzelnen Atomarten zurückzuführen ist, die zu unterschiedlichen Dynamiken führen, aber auch darauf, dass die Fallenfreigabe nicht augenblicklich erfolgt, was bedeutet, dass eine der Atomarten eine magnetische Restkraft im Verhältnis zur anderen erfährt. Solche systematischen Auswirkungen könnten sich leicht als Verstoß gegen das EEP erweisen, wenn nicht ordnungsgemäß dagegen vorgegangen wird.

Aus diesem Grund haben die Wissenschaftler ihr Augenmerk darauf gerichtet, die Systematik ihrer Falle zu charakterisieren und unerwünschte Geräusche zu reduzieren. „Das ist eine Arbeit, die in Hannover aktiv betrieben wird, um ausgereifte Eingangszustände beider Spezies zu erzeugen, was von entscheidender Bedeutung sein wird, da man ähnliche Anfangsbedingungen benötigt, bevor man das Interferometer startet“, sagt Müller. Eine Lösung für das Problem der Anfangsposition wäre, fügt er hinzu, darin, beide Arten langsam an eine einzige Position zu transportieren, bevor die Magnetfalle ausgeschaltet wird. Dies kann zwar mit hoher Präzision durchgeführt werden, geht jedoch mit der Erhitzung der Atome und dem Verlust einiger Atome einher. Die Wissenschaftler hoffen daher, durch maschinelles Lernen den Transportmechanismus zu optimieren und dadurch eine ähnliche Kontrolle der atomaren Dynamik zu erreichen, allerdings viel schneller.

Das Bild zeigt sechs rote Laserstrahlen, die sich in einer Kammer kreuzen, über der ein Chip hängt

Dual-Spezies-Atominterferometer im Weltraum

Sobald diese Probleme gelöst sind, wäre der nächste Schritt die Durchführung eines EEP-Tests mithilfe der Dual-Species-Atominterferometrie. Dabei werden die beiden ultrakalten Atomwolken mithilfe von Lichtpulsen kohärent überlagert, anschließend wieder zusammengeführt und nach einer gewissen freien Evolutionszeit interferiert. Das Interferenzmuster enthält wertvolle Informationen über die Beschleunigung des Gemisches, aus denen die Wissenschaftler ableiten können, ob beide Arten die gleiche Gravitationsbeschleunigung erfahren haben.

Ein limitierender Faktor bei dieser Technik ist, wie gut sich die Positionen des Laserstrahls und der Atomprobe überlappen. „Das ist der schwierigste Teil“, betont Müller. Ein Problem besteht darin, dass Vibrationen auf der ISS dazu führen, dass das Lasersystem vibriert und Phasenrauschen in das System eindringt. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die unterschiedliche Struktur der Massen und Atomenergieniveaus beider Spezies dazu führt, dass sie unterschiedlich auf das Vibrationsrauschen reagieren, was zu einer Dephasierung zwischen den beiden Atominterferometern führt.

In der neuesten Arbeit demonstrierten die Wissenschaftler eine simultane Atominterferometrie der Mischung und maßen eine relative Phase zwischen dem Interferenzmuster der Rubidium- und der Kaliumatome. Sie sind sich jedoch bewusst, dass eine solche Phase eher auf die Lärmquellen zurückzuführen ist, mit denen sie zu kämpfen haben, als auf einen Verstoß gegen die EPP.

Zukünftige Missionen

Ein neues Wissenschaftsmodul wurde zur ISS gebracht, mit dem Ziel, die Atomzahl zu erhöhen, die Laserquellen zu verbessern und neue Algorithmen in den experimentellen Ablauf zu implementieren. Grundsätzlich streben die CAL-Wissenschaftler jedoch danach, inerte Präzisionsmessungen zu demonstrieren, die über den aktuellen Stand der Technik hinausgehen. „Solche Erkenntnisse sind wichtige Meilensteine ​​für zukünftige Satellitenmissionen, die die Universalität des freien Falls auf einem noch nie dagewesenen Niveau testen“, sagt Hannover Naceur Gaaloul, ein Co-Autor des aktuellen Artikels.

Ein Beispiel, das Gaaloul erwähnt, ist der STE-QUEST-Vorschlag (Space-Time Explorer and Quantum Equivalence Principle Space Test), der auf Beschleunigungsunterschiede von nur 10 empfindlich reagieren würde-17 Frau2. Diese Präzision entspricht dem Fallenlassen eines Apfels und einer Orange und dem Messen des Positionsunterschieds innerhalb einer Sekunde innerhalb des Radius eines Protons. Der Weltraum ist bekanntlich hart, aber die Atominterferometrie im Weltraum ist noch schwieriger.

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